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Die Ausstellung Zerrissene Moderne. Die Basler Ankäufe „entarteter“ Kunst (22.10.22 – 19.02.23) im Kunstmuseum Basel nahm zusätzlich zu den eigentlich im Mittelpunkt stehenden Werken, nämlich den Ankäufen aus den Konvoluten „entarteter“ Kunst, welche Nazi-Deutschland für „verwertbar“ hielt, auch solche Kunstwerke in die Ausstellung auf, die das breite Spektrum der deutschen Kunstszene der damaligen Zeit weiter auffächern sollten. Darunter befand sich ein Relief Karl Opfermanns, welches als Alter Jude bezeichnet eine gewisse Grauzone als eine künstlerische Position zwischen „entarteter“ und Nazi-Kunst darstellen sollte. Bisher wurde angenommen, dass Opfermann Mitglied der NSDAP gewesen sei und tatsächlich schuf der Künstler 1935 neben einer Porträt-Büste Hitlers für das Hanseatische Oberlandesgericht (ein Zweiter Guss ging an die Firma seines Onkels in Bergisch Gladbach) auch eine Medaille als Preis des Senats der freien und Hansestadt Hamburg mit markantem Hakenkreuz auf der Rückseite. Dazu kommt verschiedentlich Schmuck für Kasernen, wovon heute noch der Adler für die Bismarck-Kaserne in Wentorf an prominenter Stelle direkt an einer vielbefahrenen Straßenkreuzung steht. Opfermann erhielt also nach 1933 öffentliche Aufträge, welche er im Sinne seiner Auftraggeber ausführte. Im Gegensatz hierzu wurden 1937 einige seiner expressiveren Werke als „entartet“ aus deutschen Museen entfernt. Der Stilwechsel, welcher sich im Werk des Künstlers bereits um 1925 ablesen lässt, weg vom Expressionismus und hin zu einer sachlicheren und naturalistischeren Darstellungsweise, war bereits vollzogen. So konnte der Künstler wie auch die anderen Hamburger Bildhauer Hans-Martin Ruwoldt, Ludwig Kunstmann und Richard Kuöhl als Mitglieder der Reichskammer für bildende Künste weiter am Kunstgeschehen in Hamburg mitwirken und öffentliche Aufträge erhalten.


Schon vor der Machtergreifung der Nationalsozialisten herrschte zwischen den Bildhauern ein gewisser Konkurrenzkampf und insbesondere Ruwoldt soll sich des Öfteren abfällig über Opfermann geäußert haben. Sein Stilwechsel wurde ihm zunächst als sprunghaft, nach 1945 dann als Anbiederung an das System ausgelegt. Die Missgunst soll so weit gegangen sein, dass man ihm bei der Neugründung der Hamburgischen Sezession aufgrund einer angeblichen Mitgliedschaft bei der NSDAP den Beitritt verweigert haben soll.

 

Dr. Maike Bruhns, die grundlegende Forschung zu den meisten Hamburger Künstler*Innen jener Zeit betrieben hat, schreibt in ihrem 2001 erschienenen Lexikon Kunst in der Krise: „Wegen seiner Parteimitgliedschaft in der NSDAP nahm ihn die wiedergegründete Sezession 1945 nicht auf. [...] Seiner Schwester war seine NSDAP-Mitgliedschaft nicht bekannt.“ Auf diesen Eintrag fußen sämtliche gleichlautende Äußerungen späterer Veröffentlichungen, die Aufnahme als „Grauzone“ in die Ausstellung Zerrissene Moderne sowie der frei erfundene Titel der Skulptur Alter Jude, die dort gezeigt wurde und unter welchem die Skulptur weiter im Zentrum für verfolgte Künste / Sammlung Gerhard Schneider geführt und somit die Behauptung der NSDAP-Mitgliedschaft fortwährend ausgeschmückt und legitimiert wird. 

Interessant ist an dieser Stelle der Blick auf Bruhns’ Manuskript (heute im Warburg-Haus) zu besagtem Lexikoneintrag. Dort heißt es noch: „O. wurde nicht wieder in die Sez. Aufgenommen, weil man ihm Mitgliedschaft in der NSDAP vorwarf. Er war nie Mitglied gewesen laut Christel O.“ Christel Opfermann war die Schwester des Künstlers und von allen Familienmitgliedern wohl die engste Vertraute. Im Manuskript ist also nur von dem Vorwurf bzw. der Möglichkeit einer Mitgliedschaft die Rede. Zudem ist nur vier Jahre Später im sogenannten Neuen Rump im ebenfalls von Bruhns verfassten Lexikonbeitrag zu Karl Opfermann hiervon keine Rede mehr. Die Parteimitgliedschaft als Fakt wurde also vielmehr von äußeren Umständen wie den abfälligen Bemerkungen seiner Kollegen und seinen öffentlichen & parteikonformen Aufträgen abgeleitet. Ein konkreter bzw. begründeter Vorwurf wäre sicher nicht ohne Kenntnisnahme der Familie oder sogar der Presse verhallt. Aus der Mitgliederkartei der NSDAP, welche über das Bundesarchiv Forschenden offen steht, geht eindeutig hervor, dass Karl Opfermann nie Mitglied war.

 

Festzuhalten bleibt: Karl Opfermann war kein Mitglied der NSDAP, eine schriftliche Bestätigung des Bundesarchivs hierüber liegt vor. Und trotzdem bleibt das Werk des Künstlers aus der Zeit zwischen 1933 und 1943 (in diesem Jahr wurde sein Atelier durch Bomben zerstört und der Künstler floh nach Flensburg) ambivalent. Karl Opfermann profitierte in einer Zeit, in der andere Künstler*Innen als Nicht-Mitglieder der Reichskammer für bildende Kunst quasi Berufsverbot hatten, von dem Regime und lieferte parteikonforme Kunst für den öffentlichen Raum und staatliche Institutionen.

Es gilt an dieser Stelle nichts zu vertuschen oder schönzureden, sondern Gegebenes offenzulegen und Umstände so weit wie möglich aufzuklären. Wir hoffen, mit dieser Richtigstellung das Werk des Künstlers wieder zugänglicher zu machen und werden, wo es sinnvoll scheint, immer wieder Querverweise zu dieser Thematik einfließen lassen.

 

Weiterhin möchten wir uns an dieser Stelle ausdrücklich bei Frau Dr. Maike Bruhns für Ihre persönliche und großzügige Hilfe und beim Warburg-Haus sowie dem Bundesarchiv für die Unterstützung bedanken.

 

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Karl Opfermann and the NSDAP - a Correction

 

The exhibition Castaway Modernism. Basel’s Acquisitions of "Degenerate" Art (22.10.22 - 19.02.23) at the Kunstmuseum Basel included, in addition to the works that were actually the focus of the exhibition, namely the acquisitions from the gatherings of "degenerate" art that Nazi Germany considered "utilisable", works of art that were intended to further diversify the broad spectrum of the German art scene at the time. Among them was a relief by Karl Opfermann named Old Jew, which was intended to represent a certain grey area as an artistic position between "degenerate" and Nazi art. It was then assumed that Opfermann had been a member of the NSDAP and in fact the artist created a portrait bust of Hitler for the Hanseatic Higher Regional Court in 1935 (a second cast went to his uncle's company in Bergisch Gladbach) as well as a medal as a prize from the Senate of the Free and Hanseatic City of Hamburg with a distinctive swastika on the reverse. In addition, there were various decorations for barracks, of which the eagle for the Bismarck barracks in Wentorf still stands today in a prominent position directly at a busy crossroads. Opfermann therefore received public commissions after 1933, which he carried out in accordance with the wishes of his commissioner. In contrast, some of his more expressive works were removed from German museums in 1937 as "degenerate" art. The change in style, which can already be witnessed in the artist's work around 1925, away from Expressionism and towards a more objective and naturalistic style of representation, had already taken place. Like other Hamburg sculptors as Hans-Martin Ruwoldt, Ludwig Kunstmann and Richard Kuöhl, the artist was able to continue participating in the art scene in Hamburg as a member of the Reichskammer für bildende Künste and received public commissions.

 

Dr. Maike Bruhns, who conducted fundamental research on most Hamburg artists of that time, wrote in her encyclopaedia Kunst in der Krise published in 2001: "Because of his membership of the NSDAP, he was not accepted by the Secession, which was re-founded in 1945. [...] His sister was not aware of his NSDAP membership." All identical statements in later publications, the inclusion as a "grey zone" in the Castaway Modernism exhibition and the fictitious title of the sculpture Alter Jude, which was shown there and under which the sculpture continues to be listed in the Zentrum für verfolgte Künste / Sammlung Gerhard Schneider, thus continually embellishing and legitimizing the claim of a NSDAP membership, are based on this entry.

At this point, it is interesting to look at Bruhns' manuscript for the aforementioned entry (held at the Warburg-Haus): "O. was not readmitted to the Sez. because he was accused of being a member of the NSDAP. He had never been a member according to Christel O." Christel Opfermann was the artist's sister and probably the closest confidante of all the family members. The manuscript therefore only mentions the accusation or the possibility of membership. Moreover, only four years later, in the so-called Neue Rump (another encyclopaedia), the entry on Karl Opfermann, also written by Bruhns, no longer mentions the membership. The party membership as a fact was thus rather derived from external circumstances such as the derogatory remarks of his colleagues and his public & party-compliant assignments. A concrete or well-founded accusation would certainly not have gone unnoticed by the family or even the press. The NSDAP membership register, which is available to researchers via the Bundesarchiv (National Archives), clearly shows that Karl Opfermann was in fact never a member.

 

Karl Opfermann was not a member of the NSDAP, as confirmed in writing by the Bundesarchiv. And yet the artist's work from the period between 1933 and 1943 (the year in which his studio was destroyed by bombs and the artist fled to Flensburg) remains ambivalent. Karl Opfermann profited from the regime at a time when other artists were virtually banned from working as non-members of the Reichskammer für bildende Kunst and produced party-compliant art for public spaces and state institutions. At this point, there is no need to cover up or gloss over anything, but rather to disclose the facts and clarify the circumstances as far as possible. We hope that this correction will make the artist's work more accessible again and we will further include cross-references to this topic where appropriate.

 

We would also like to take this opportunity to thank Dr. Maike Bruhns for her personal and generous help and the Warburg-Haus as well as the Bundesarchiv for their support.



26 Ansichten

Noch bis zum 19. Februar läuft die Ausstellung ‚Zerrissene Moderne. Die Basler Ankäufe

entarteter Kunst’ im Kunstmuseum Basel. Die Ausstellung befasst sich vor allem mit den Werken, welche die Stadt und insbesondere der damalige Museumsdirektor Georg Schmidt aus den „Verwertungs“-Aktionen der von den Nationalsozialisten so betitelten und in deutschen Museen beschlagnahmten „Entarteten Kunst“ um 1939 angekauft haben. Hierüber hinaus ermöglicht der zur Ausstellung erschienene Katalog einen weiteren Überblick über ähnliche Ankäufe aus dem Europäischen Ausland sowie die jeweilig beteiligten Personen aus Museum und Kunstmarkt wie bspw. Hildebrand Gurlitt.

Ausstellung und Katalog bieten zudem einen interessanten Ausblick auf eine breitere Wahrnehmung der in Deutschland ab 1933 als „entartet“ diffamierten Künstler*innen: Anita Rée und Karl Opfermann werden hier stellvertretend für die Kunstszene in Hamburg genannt und auch jeweils mit einem Werk in der Ausstellung präsentiert. Das Werk Anita Rées hat in den vergangenen Jahren durch eine große Retrospektive (Hamburger Kunsthalle 2017/18) sowie dem ebenfalls 2018 erschienenen Werkverzeichnis von Meike Bruhns eine angemessene und hoffentlich anhaltende Würdigung erfahren. Für Karl Opfermann gilt es dies nachzuholen, wozu wir mit dieser Website einen ersten Aufschlag wagen möchten.


In der Ausstellung gezeigt wird ein Relief Karl Opfermanns von 1923 (Abb. 1), welches nicht zu den Werken gehört, die damals in den Besitz des Basler Museums übergingen. Nachweislich wurden von Opfermann 5 Werke als „entartet“ in deutschen Museen beschlagnahmt: zwei Skulpturen in der Hamburger Kunsthalle sowie drei Werke der Druckgraphik aus dem Erfurter Museum für Kunst und Heimatgeschichte (heute Museen der Stadt Erfurt).


Das in der Ausstellung gezeigte Werk stammt aus dem Zentrum für Verfolgte Künste in Solingen, ehemals dem Besitz des Kunstsammlers Gerhard Schneider, der die Skulptur ankaufte. Wir sehen den Kopf einen alten Mannes, der eine Kopfbinde trägt. Der Titel ‚Alter Jude’ ist nicht überliefert und wird an dieser Stelle daher nur als Behelfstitel betrachtet (und im Werkverzeichnis neutral betitelt). Auffällig ist die Ähnlichkeit zu dem 1921/1922 in Hamburg Moorwerder entstandenen Kriegerdenkmal, sodass wir womöglich an einen kriegsversehrten Soldaten des Ersten Weltkrieges denken könnten. Eine so unvermittelt anmutende Darstellung des Krieges bzw. dessen Folgen kennen wir von Opfermann jedoch aus keinem anderen Werk seiner „freien“ Plastik. Noch Auffälliger ist die Nähe zu dem durch den Künstler nicht datierten ‚Kopf eines Jungen’ (Abb. 2), den wir geradezu als Pendant zu der in Basel gezeigten Skulptur auffassen könnten. Auch hier handelt es sich lediglich um einen Behelfstitel, denkbar wäre bei einer gemeinsamen Betrachtung auch eine Skulpturengruppe ‚Jugend und Alter’. Solche Allegorien kennen wir von Opfermann zumindest aus dem Deutschen Haus in Flensburg, für welches er die ‚Vier Jahreszeiten’ schuf.


Wir freuen uns sehr über die Ausstellung einer Skulptur Karl Opfermanns im Kunstmuseum Basel! Umso mehr, da das Werk sinnbildlich als Ausblick auf eine Neubewertung der Generation von Künstler*innen steht, die erst in der Zeit nach dem ersten Weltkrieg zu gewisser Bekanntheit gelangten und deren großer Durchbruch durch die kultur-/politischen Umwälzungen ab 1933 ausblieb.


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Until February 19th you have the chance to see Kunstmuseum Basel’s current show ‚Castaway Modernism. The Basel Acquisitions of "Degenerate" Art’. This Exhibition deals with the Museum’s acquisitions of the so called „degenerate art“ from Nazi Germany in 1939 under the director Georg Schmidt. In addition the catalogue explains similar situations in other european Museums as well as how the confiscation and organisation of these art works took place in multiple german museums/institutions involving art dealers such as Hildebrand Gurlitt. Furthermore it allows to widen the perspective of current art history, which mainly deals with those artists that were able to reach broader recognition before WWI.

Besides Anita Rée, an artist that art history became more aware of in these past few years, we’re happy to find Karl Opfermann named as the second example for underappreciated artists of this time from Hamburg.


Displayed in this exhibition we find a wooden relief of an old man’s face with a headband from 1923. It’s not a work, the Museum in Basel acquired in 1939. As far as we know „only“ two sculpture were confiscated in the Hamburger Kunsthalle along with three prints from the Erfurter Museum für Kunst und Heimatgeschichte (today Museen der Stadt Erfurt) in 1937. This sculpture now comes from the Zentrum für Verfolgte Künste in the City of Solingen, formerly acquired by the german art collector Gerhard Schneider. The Title ‚Alter Jude/old Jew“ isn’t historical and has been attributed to this piece later, therefore will not be used in the catalogue raisonné.

The piece itself appears to be closely related to the WWI memorial Opfermann created in 1921/22 for Moorwerder (Hamburg). However at this point we don’t know any other works by this artist that are displaying the war and its consequences in such drastic manner. Another related piece seems to be ‚Kopf eines Jungen/Boy’s head’, undated but probably from the same year. It could be seen as the counterpart to the relief in Basel. Together they could be interpreted as an allegoric group of ‚Youth and Age’, just as we know it from the four sculptures ‚Vier Jahreszeiten/Four Seasons’ he did for the Deutsches Haus in Flensburg.


We’re very happy to see a sculpture by Karl Opfermann exhibited in the Kunstmuseum Basel as an example of artists that need to be revalued by art history and we’re even more motivated as well as excited to take our part in that.




(Fotos ©Bürgerzentrum für verfolgte Künste - Else-Lasker-Schüler-Zentrum - Kunstsammlung Gerhard Schneider, ©Stockholms Auktionsverk Hamburg)

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Aktualisiert: 7. Dez. 2022

Hier finden Sie zukünftig Auszüge aus dem Forschungsprojekt, Hinweise zu aktuellen Ausstellungen oder allgemeine Informationen zu Leben und Werk von Karl Opfermann.

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Here you'll soon find details regarding our project, recent exhibitions and facts around the life and work of Karl Opfermann.


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